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Wie lässt sich die Sicherheit der Ukraine garantieren?

Seit dem Treffen von Donald Trump und Wladimir Putin ist Bewegung in die Ukrainediplomatie gekommen. Doch ob sie zu einem baldigen Kriegsende führen wird, ist derzeit völlig offen. Mit dem Gipfel beim US-Präsidenten am Montag ist die Frage von Sicherheitsgarantien für die Ukraine in den Vordergrund getreten. Damit konzentrieren sich die Verhandlungen auf den politisch-strategischen Kern einer Friedenslösung.

Denn noch wichtiger als die Territorialfragen im Osten und Süden der Ukraine ist die Absicherung der vollen Souveränität und Verteidigungsfähigkeit des Landes, jetzt und in der Zukunft. Dieser Zusammenhang ist wiederum untrennbar verbunden mit der künftigen europäischen Sicherheit.

Die Modalitäten eines möglichen Friedensabkommens müssen in die Perspektive einer europäischen Sicherheitsarchitektur eingebettet sein. Um die derzeit prekäre Sicherheitslage in Europa zu überwinden, gehört dazu sowohl eine glaubwürdige Abschreckung als auch eine konstruktive Diplomatie. Daher war es wichtig, dass sich Bundeskanzler Friedrich Merz und weitere europäische Regierungschefs in die Washingtoner Gespräche eingeschaltet haben.

Die jetzt diskutierte Formel „Nato-ähnliche Sicherheitsgarantien“ durch einzelne Nato-Staaten könnte sich allerdings als Trugbild erweisen. Nicht wenige plädieren sogar mit unerhörter Leichtfertigkeit für europäische Truppen zur Absicherung eines Friedensabkommens in der Ukraine. Abgesehen von der Frage, ob Putin überhaupt einen ausgewogenen Kompromissfrieden in der Ukraine will, würde sich der Kreml aller Voraussicht nach jeder Vereinbarung für ein Ende des Kriegs verweigern, bei der Truppen aus Nato-Staaten in der Ukraine vorgesehen wären.

Bodentruppen kaum ausreichend zu mobilisieren

Außerdem wären die europäischen Nato-Staaten überhaupt nicht in der Lage, eine hinreichende Zahl einsatzfähiger Truppen in und über der Ukraine einzusetzen. Die Bundeswehr wie auch die anderen europäischen Partner könnten in nächster Zeit nur in sehr geringem Umfang kampfkräftige Bodentruppen durchhaltefähig in der Ukraine einsetzen. Sie müssten dafür vermutlich Kräfte aus den baltischen Staaten, einschließlich der Litauen-Brigade, abziehen. Zudem hat der Drohnenkampf das Kriegsbild völlig verändert und vor allem mechanisierte Kräfte höchst verwundbar gemacht. Es ist in dieser Lage fraglich, ob die europäischen Verbände bei derzeitigem Ausrüstungsstand durchsetzungsfähig wären.

Die europäischen Nato-Partner werden bis in die Dreißigerjahre hinein Zeit benötigen, um ihre Aufrüstungspläne personell und materiell zu stemmen und eine größere Zahl zusätzlicher Großverbände aufzustellen. Man wird erst in einigen Jahren sehen, wie viele Nato-Staaten in der Lage sein werden, an die vereinbarten Fähigkeitsziele heranzureichen – gerade mit Blick auf ihre jeweiligen Staatsschuldenquoten, die vielfach weit höher sind als in Deutschland.  

Viele Politiker und Kommentatoren haben noch vor Kurzem unter Hinweis auf die heute unzureichende Kampfkraft der Bundeswehr davon gesprochen, dass Putin schon 2029 die Fähigkeit und den Willen haben könnte, baltische Staaten anzugreifen. Jetzt wollen manche die Bundeswehr auf einmal stark genug sehen, um sogar in der Ukraine und außerhalb der Nato gegen russische Truppen vorzugehen, wenn Waffenstillstandsvereinbarungen verletzt werden. Das passt alles nicht zusammen. Strategische Eventualfallplanungen müssen im Einklang mit den verfügbaren militärischen Mitteln stehen, personell und materiell. Es ist deshalb begrüßenswert, dass Außenminister Johann Wadephul schon einmal ausgeschlossen hat, dass deutsche Truppen in der Ukraine eingesetzt werden, auch wenn er das später relativiert hat.

Ohne die USA wenig abschreckend

Dass Truppen aus Nato-Staaten in die Ukraine verlegt werden, erscheint daher höchst unwahrscheinlich. Vielmehr wird die Frage in den Mittelpunkt rücken, ob und inwieweit eine Koalition größerer Nato-Staaten bereit wäre, deklaratorisch und in ihrer Fähigkeits- und Operationsplanung in irgendeiner Form Sicherheitsgarantien abzugeben, ohne dass Truppen in der Ukraine stationiert werden. Klar ist dabei, dass die Europäer ohne die umfassende Unterstützung der USA in den nächsten Jahren keine glaubwürdigen Sicherheitsgarantien für die Ukraine leisten können. Das gilt für das gesamte Abschreckungsspektrum von Aufklärungsdaten über Brigaden und Luftstreitkräfte bis hin zur nuklearen Abschreckung.

Trump hat zwar versichert, dass die USA die Europäer bei deren Sicherheitsgarantien unterstützen würden. Es ist derzeit aber völlig unklar, was ihm dabei konkret vorschwebt, wie sich das US-Verteidigungsministerium in den nächsten Tagen dazu positioniert und ob diese Absicht hinreichend unterfüttert werden kann. Vermutlich wird es in den kommenden Jahren zu einem signifikanten Teilabzug von US-Truppen aus Europa kommen, was die Glaubwürdigkeit US-amerikanischer Garantien weiter beeinträchtigen würde. Alle Fantasien mit europäischen Alleingängen oder ungewissen US-Unterstützungszusagen grenzen an Hybris.