Deutsch

Welche Russland-Sanktionen wirken – und welche nutzlos sind

„Ach, die Sanktionen bringen doch nichts!“, sagen Freunde des russischen Regimes in Europa gern. Und nicht nur die. Der Zweifel, ob die Sanktionspolitik gegen Russland womöglich ins Leere gehe, nagt seit Jahren. Diesen Zweifel sät Wladimir Putin. Er behauptet regelmäßig, dass die westlichen Strafmaßnahmen nach Russlands Überfällen auf die Ukraine „völlig wirkungslos“ seien. Gern macht er sich auch diesen westlichen Mythos zunutze: dass Sanktionen Kriege stoppen könnten. „Seht ihr“, lacht Putin, wenn er jedes Gesprächsangebot ablehnt und im vierten Kriegsjahr weiterkämpfen lässt, „bringt alles nichts!“ 

Das hören wir verdächtig oft von ihm. Es ist Teil seines Bluffs, der die EU und Donald Trumps USA von weiteren Sanktionen abhalten soll. Tatsächlich aber sagt die bloße Fortsetzung des Kriegs herzlich wenig aus über die Effizienz von Sanktionen. Sie wirken an anderen Schmerzpunkten als unmittelbar an der Front. Schauen wir also genau hin, was Sanktionen bringen, wo Russland Einbußen erleidet und wo nicht. 

Beginnen wir mit einem Fehlschlag. Alles, was in den Bereich von mehr oder minder klar definierten „Konsumsanktionen“ fällt, hatte minimale bis keine Wirkung. Russland nicht mehr mit westlichen Gütern zu beliefern, hatte weder auf die Regierung noch auf die Bevölkerung noch auf die Armee Einfluss. Die Idee, wenn sie denn je klar zu Ende gedacht war, dass die Bevölkerung auf die Barrikaden ginge, wenn ihr Mercedes-Limousinen, Hermes-Taschen oder auch nur deutsche Schokolade entzogen würden, war von Anfang an abwegig. 

Wirksame Maßnahmen

Sinnvoller sind gezielte Maßnahmen gegen die Brandstifter des Regimes. Gegen Politiker und Propagandisten, die auf sozialen Kanälen oder in Talkshows geloben, Europa mit Atombomben zu zerstören. Die der EU täglich mit Krieg drohen. Viele von ihnen haben Villen an oberitalienischen und oberbayerischen Seen, in der Provence, in Paris, Berlin und Nizza. Da möchte man sie einfach nie wieder sehen: also Einreiseverbote. 

Als äußerst wirksam haben sich Putins Selbstsanktionen erwiesen. Sein vollständiges Gasembargo gegen Deutschland und Europa ab August 2022 hat Russland vom größten Gasmarkt des Globus abgeschnitten. Sein Versuch, die Deutschen in eine Versorgungskrise mit eiskalten Wohnungen zu stürzen, ist gescheitert. Deutschland, der bis dato weltweit größte Gasimporteur, hat sich dauerhaft umgestellt. Dafür ist das stolze Flaggschiff der russischen Industrie, der Gazprom-Konzern, zum Schuldner und Subventionsfall geworden. 

Etwas weniger effizient, aber dennoch schmerzhaft, treffen die westlichen Ölsanktionen Russland. Die Einführung von Preisdeckeln, das Ende der Versicherung für Tankschiffe, die Sanktionen gegen russische Ölkonzerne haben die russischen Einnahmen spürbar begrenzt. Die großvolumigen Käufe von russischem Öl durch China und Indien konnten das nur teilweise ausgleichen. Denn Russland muss sein Öl zu Dumpingkursen verhökern. Zugleich senkt die weltweite Überproduktion weiter die Preise. 

Bei den Industriegütern, Hochtechnologie, Halbleitern und Waren, die sowohl in der Zivil- als auch Rüstungsindustrie eingesetzt werden können (Dual Use), haben die Sanktionen begrenzte Wirkung. Russland hat ein vielgliedriges System der Sanktionsumgehung entwickelt und führt über Nachbarländer im Süden und Osten ein. Das meiste gleicht China aus, Russlands wichtigster Lieferant und Verbündeter im Krieg gegen die Ukraine. Insofern ist Russland von Technologie nicht abgeschnitten, aber muss die Güter zu höheren Preisen einkaufen, als es ohne Sanktionen der Fall wäre. 

Geld, das effizienteste Mittel

Womit wir beim Geld wären, dem effizientesten Mittel, Russland die Folgen seiner vielen Kriege spüren zu lassen. Die Finanzsanktionen, über die Putin ja nicht so gern spricht, schneiden tief ein ins russische Budget. Russland hat seine bei westlichen Banken gelagerten Geldreserven verloren, die Zinsen für diese Reserven gehen an die Ukraine. Russland ist vom internationalen Zahlungsverkehr ausgeschlossen, es kann den Finanzdienstleister Swift nicht mehr nutzen, es kann sein Öl nicht mehr für Euro oder Dollar zum Weltmarktpreis verkaufen. Die Banken sind von internationalen Märkten abgeschnitten, Russland kann auf den globalen Märkten keine Anleihen mehr ausgeben. Diese Sanktionen haben den russischen Staat bereits viele Hundert Milliarden Euro gekostet, weit mehr als das gesamte russische Staatsbudget pro Jahr. 

Das hat Folgen. Die Finanzsanktionen sind nicht die einzige Ursache, aber Russland ist von hoher struktureller Inflation geplagt, von Kapitalflucht und Investitionsflaute. Die exorbitant hohen Leitzinsen strangulieren die zivile Industrie, gut geht es vor allem der subventionierten Kriegswirtschaft. Trotz hoher Staatsausgaben leidet das Land unter wirtschaftlicher Dauerstagnation. 

Wladimir Putin führt seit 1999 fast ununterbrochen Krieg, gegen Tschetschenien, Georgien, die Ukraine, in Syrien und Afrika. Aber das bezahlen anders als früher nicht mehr die deutschen Gasverbraucher. Putin führt Krieg auf Kosten von Russlands Zukunft.