Brisante Geschichte eines Ukraine-Deserteurs aus Putins Invasionsarmee. Er spricht in BILD von russischen Kriegsverbrechen, seiner abenteuerlichen Flucht in den Westen, aber auch über die eigene Naivität.

Alexej Dschiljaew war 38 Jahre alt, als er sich im November 2023 freiwillig zum Kriegseinsatz in Putins völkerrechtswidrigem Angriffskrieg gegen die Ukraine meldete. „Ich sah all die Verwundeten ohne Beine, ohne Hände und ich wollte nur helfen“, sagt der studierte Mediziner zu BILD.

Auf Nachfrage räumt Dschiljaew ein, dass die „2000 Euro pro Monat, manchmal auch mehr“, ebenfalls eine Rolle gespielt hätten.

Putins Deserteur: „Meine Arbeit war völlig umsonst“

Zwei Wochen später fand sich der Sankt Petersburger, der von sich behauptet, Putin noch nie gewählt zu haben, im Dienst eines Medizinbataillons in der besetzten Region Luhansk wieder. Seine Aufgabe: verwundete russische Soldaten zu versorgen.

In einem Register, das BILD vorliegt, hält er die Verletzungen fest, die er und seine Kameraden täglich versorgen. „Kombinierte Splitterwunde an Kopf, Brust und Gliedmaßen“, „Thermische Verbrennung der linken Hand“, „Wunden im Lendenbereich und im linken Gesäßbereich“, heißt es hier unter anderem.

Zwei Tote und 19 Verletzte listet das Register seiner medizinischen Einheit in nur drei Tagen auf.

Dschiljaew erkennt, dass sein Wunsch zu helfen hier wenig bringt. „Ich habe Leute evakuiert und ins Krankenhaus gebracht, die nach zwei Wochen oder zwei Monaten dann trotzdem getötet wurden“, sagt er. Was Dschiljaew damit meint: Auch Verwundete wurden umgehend wieder an die Front gebracht, Putin braucht für seinen Krieg jeden Mann. „Meine Arbeit war völlig umsonst“, so sein Fazit.

Vorgesetzter erschoss Ukrainerin vor Dschiljaews Augen

Zudem wurde der Russe Zeuge von „Armee-Verbrechen“, wie er sie nennt.

Er berichtet von Schlägen, Tritten, grausamen Strafen und dem „Graben“, in den Soldaten „ohne Nahrung“ gesteckt wurden, die sich weigerten, bestimmte Befehle auszuführen. Wen das nicht gebrochen hat, der „endete bei den Sturmeinheiten. In dieser Einheit musst du töten oder du wirst getötet“.

Dschiljaew spricht in BILD auch von russischen Kriegsverbrechen. Einmal habe ein Kamerad einem gefangenen ukrainischen Soldaten absichtlich in die Beine geschossen. Dann stockt der Russe im Interview. „Es ist schwer für mich, das zu sagen“, behauptet er. „Da war ein ukrainisches Mädchen, eine Zivilistin. Ein diensthabender Soldat am Kontrollpunkt entleerte die Hälfte seines AK-Magazins auf sie.“ Das Mädchen sei sofort tot gewesen, sagt Dschiljaew.

Er habe den ranghöheren Soldaten gefragt, warum er das getan habe. „Ohne jeden Grund“, sei seine Antwort gewesen.

All das habe den mittlerweile 40-Jährigen dazu bewogen, aus der Armee zu desertieren. Ein legales Ausscheiden, sagt Dschiljaew, sei unmöglich gewesen.

„Ich bin heimlich aus der Ukraine zurück nach Russland, dann nach Belarus und dann mit dem Flugzeug nach Armenien. Von dort aus nach Tunis und dann mit einem Flugzeug über Belgrad nach Paris, wo ich Asyl beantragt habe.“

Dschiljaew sagt, er will nie wieder nach Russland zurück. Gefragt nach seiner Nachricht an Putin sagt er: „Genosse Putin, gehen Sie in Rente, gehen Sie in den Wald. Ich weiß nicht, gehen Sie angeln, mindestens das. Am besten, Sie gehen ins Gefängnis.“