Oldenburg – Vier tödliche Schüsse – und die Frage nach dem Warum. Ein Polizist (27) in Oldenburg hat in der Nacht zum Ostersonntag einen Reizgas-Angreifer (21) erschossen. Brisant: Drei der vier Schüsse trafen den Mann von hinten. Das ergab die Obduktion.

Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) kündigte nach dem Vorfall umfangreiche Untersuchungen an und räumte ein: „Die Obduktionsergebnisse werfen schwerwiegende Fragen und verheerende Vorwürfe auf, die im Rahmen der weiteren Ermittlungen schonungslos beantwortet und aufgeklärt werden müssen.“

Was bisher klar ist

Der Deutsche war am Ostersonntag, morgens um 2.45 Uhr, vor der Disco an der Mottenstraße Oldenburg (Niedersachsen) aufgetaucht, wollte rein. Doch die Türsteher wiesen ihn ab – angeblich, weil er eine Trainingshose trug.

Laut Polizei sprühte der 21-Jährige daraufhin „Reizstoff in die Richtung zweier Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes“. In einer Mitteilung heißt es: „Mehrere Menschen erlitten hierdurch leichte Verletzungen. Der Angreifer flüchtete daraufhin. Einige Personen nahmen die Verfolgung auf, brachen diese jedoch ab, weil der Mann ihnen mit einem Messer drohte.“

Polizisten spürten den Angreifer schließlich in der Kurwickstraße auf. Als sie ihn ansprachen, rannte er davon. In der Achternstraße lief der 21-Jährige der nächsten Streife in die Arme: „Dort ging er bedrohlich auf die Polizisten zu und sprühte dabei Reizstoff in ihre Richtung. Schließlich machte ein 27-jähriger Beamter von seiner Schusswaffe Gebrauch.“

Mindestens vier Schüsse abgefeuert

Demnach soll er an der Hüfte, dem Oberkörper und Kopf getroffen worden sein. Laut dem Obduktionsergebnis trafen den jungen Mann drei Schüsse von hinten. Ein vierter Schuss soll ihn am Oberschenkel gestreift haben.

Lebensgefährlich verletzt kam der 21-Jährige ins Krankenhaus. Dort erlag er später seinen Schussverletzungen. Die Spuren des Polizeieinsatzes waren am Ostersonntag in der Achternstraße noch zu sehen.

Polizeigewerkschaft erneuert Forderungen nach Taser-Einsatz

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) bekräftigte am Dienstag ihre Forderungen nach dem Einsatz von Tasern in solchen Gefahrensituationen. Patrick Seegers, DPoIG-Vorsitzender in Niedersachsen, sagte dem NDR: „Wir als Polizei Niedersachsen plädieren für den Taser, auch im Streifendienst. Aktuell gibt es nur die Schusswaffe, und der Schusswaffengebrauch kann tödlich enden.“

Seegers glaubt, dass der Einsatz eines Tasers die Wahrscheinlichkeit für einen glimpflichen Ausgang des Einsatzes erhöht hätte: „Der Taser, also eine Elektroschockpistole, kann natürlich auch tödlich wirken und löst nicht jede Situation. Er wäre aber eine Möglichkeit, viele Situationen zumindest ohne schwerste Verletzungen oder einen tödlichen Ausgang zu lösen.“

Demonstration für Freitag geplant

Unterdessen zeigen sich Freunde fassungslos über den Tod des Mannes. Wie der NDR berichtet, soll das Opfer ein aktiver Fußballer und in der Stadt recht bekannt gewesen sein. Dem Polizisten machen die Freunde schwere Vorwürfe: Er habe überreagiert, als er auf den Mann schoss.

Für Freitag ist eine Demonstration in Oldenburg geplant. Mehrere Initiativen haben den Aufruf unterzeichnet – darin geht es u.a. auch um den Vorwurf des strukturellen Rassismus in den Reihen der Polizei. Der Erschossene war eine „person of color“.

Polizist vom Dienst suspendiert

Der Polizist wurde nach Angaben der Staatsanwaltschaft vom Dienst suspendiert. Dies sei in solchen Fällen üblich, teilte eine Sprecherin mit. Gegen ihn läuft nun ein Verfahren wegen des Verdachts des Totschlags.

Auch dies sei in solchen Fällen üblich. Es gehe darum, ob die Verhältnismäßigkeit gewahrt worden sei. Für den Einsatz der Schusswaffe gibt es klare gesetzliche Vorgaben. Sie dürfe in einer Notwehr- oder Nothilfesituation genutzt werden.