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Ukrainischer Bürgermeister kritisiert Militärversammlung in Sumy

Artem Semenichin, Bürgermeister der ukrainischen Stadt Konotop, hat öffentlich Vorwürfe gegen den Gouverneur der Region
Sumy erhoben. Er kritisierte in einem Video auf Facebook, dass die Behörden in
Sumy
trotz der Nähe zur Front und der hohen Gefahr von Angriffen eine
Militärversammlung zur Ehrung von Soldaten angesetzt hätten. „Soweit mir
bekannt ist, wurde er (Gouverneur
Wolodymyr Artjuchin) gewarnt, dass man so etwas nicht tut“, sagte
Semenichin.

Zwar erhob der Bürgermeister nicht direkt den
Vorwurf der Fahrlässigkeit. Zahlreiche ukrainische Medien berichteten
aber über seine ungewöhnlich kritischen Äußerungen in aller
Öffentlichkeit.

Am Sonntagmorgen waren zwei ballistische Raketen im Zentrum der nordostukrainischen, rund 30 Kilometer von Russland entfernten Stadt Sumy eingeschlagen, als sich dort Menschen versammelt hatten, um den Palmsonntag
zu feiern. 34 Zivilisten wurden getötet, darunter mehrere Kinder, mindetens 117 Menschen verletzt.

Nach
scharfer internationaler Kritik und Entrüstung verteidigte die russische Regierung den tödlichen Raketenangriff auf Sumy
als Attacke auf Militärs. Präsidentensprecher
Dmitri Peskow sagte, die russische Armee greife nur
Militärziele an. Das russische Verteidigungsministerium
behauptete, es
habe auf ein Treffen ranghoher Militärangehöriger im Zentrum der Stadt
abgezielt. Das Ministerium gab an, mehr als 60
ukrainische Soldaten seien getötet worden. Russland lieferte aber
keinerlei Belege für die Angaben. 

Immer wieder rechtfertigt Russland
seine Angriffe auf ukrainische Zivilisten mit dem angeblichen Beschuss von ukrainischen Militärzielen, auch wenn keinerlei militärische Infrastruktur in der Nähe der beschossenen Gebiete ist. Auch im Falle des russischen Angriffs auf Krywyj Rih Anfang April, bei dem 19 Menschen, darunter 9 Kinder, getötet wurden, bediente sich Russland dieser Argumentation.

Keine Verletzten unter den Soldaten

„Gott
sei Dank wurde niemand von den Soldaten verletzt, sie waren alle im
Schutzbunker“, sagte Semenichin im Video. Gleichwohl habe Russland die Versammlung der Soldaten in Frontnähe als „Vorwand für
ihre terroristische Aggression“ genutzt. Inzwischen laufe auch ein
Ermittlungsverfahren, um herauszufinden, wer solch eine
Militärversammlung 30 Kilometer von russischen Stellungen entfernt
initiiert habe, sagte er.

Die beiden Raketen waren nach übereinstimmenden Angaben mehrerer Politiker im Stadtzentrum von Sumy
eingeschlagen, als dort in der Kongresshalle der Universität die
Zeremonie zur Auszeichnung von Militärangehörigen lief. Es sei die
„Unwahrheit“, wenn behauptet werde, dass im Zentrum von Sumy
nichts gewesen sei, sagte Semenichin. Damit bezog er sich offenbar auf
Behauptungen, dass es keine Militärversammlung gegeben habe.

Die
ukrainische Parlamentsabgeordnete Marjana Besuhla rief Präsident
Wolodymyr Selenskyj und die Armeeführung auf, keine „Militärs zu
Ehrungen zu versammeln, vor allem nicht in friedlichen Städten“. Es sei
ein Sicherheitsrisiko, wenn solche Veranstaltungstermine für alle
einsehbar in sozialen Netzwerken veröffentlicht würden. Zugleich unterstrich
sie, dass nichts den russischen Angriff rechtfertigen könne und
Kriegsparteien die Pflicht hätten, ihre Ziele auf zu befürchtende
zivile Opfer hin zu prüfen.

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