Die drei Männer, die Europa und die Ukraine retten sollen, hat ein bloßer Zufall der Geschichte zusammengespannt. Aber auf sie kommt es jetzt an. Seit Donald Trump wieder im Weißen Haus sitzt, müssen Friedrich Merz, Keir Starmer und Emmanuel Macron etwas fast Unmögliches versuchen. Sie müssen den amerikanischen Präsidenten bei Laune halten, dem russischen widerstehen – und die Parlamente ihrer eigenen Länder womöglich davon überzeugen, irgendwann Soldaten in die Ukraine zu entsenden.
In den letzten Wochen hat sich die europäische Diplomatie irrwitzig beschleunigt. Es gibt so viele Videokonferenzen, Telefonschalten, Reisen, dass selbst diejenigen, die an den Treffen teilnehmen, manchmal den Überblick verlieren, wo und wann sie zuletzt miteinander gesprochen haben.
War es am Montag? Am Mittwoch? Wer genau war noch mal dabei? Der Kreis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer wechselt. Mal beraten sich die Europäer in kleiner, mal in großer Runde. Nur Merz, Macron und Starmer – diese drei sind immer dabei. Und unverzichtbar.
Fragt man in Berlin nach, in Paris oder in London, hört man in allen drei Hauptstädten dasselbe: Niemals zuvor hätten sich Deutschland, Frankreich und Großbritannien so eng abgestimmt wie in der Ukraine-Frage. , ein echter Motor. Der „harte Kern“ des Teams Europa. Nichts an dieser Zusammenarbeit ist selbstverständlich. Aber die Konstellation ist günstig.
Für kein anderes Thema hat sich Friedrich Merz seit dem ersten Tag seiner Kanzlerschaft so engagiert wie für Beziehungen zu den europäischen Nachbarn. Kaum war er in Berlin vereidigt, saß er schon im Flugzeug nach Paris, Warschau und Brüssel. Merz teilt mit Macron und Starmer die Überzeugung, dass Putins Russland, sollte es nicht gestoppt werden, nicht in der Ukraine haltmachen würde, sondern eine Bedrohung für ganz Europa darstellen dürfte. Und dass die Europäer in dieser Auseinandersetzung nicht auf die Unterstützung der USA verzichten können. Noch nicht.
Der britische Premierminister Starmer regiert ein Land, das seit dem Kampf gegen Hitler-Deutschland davon überzeugt ist, man dürfe vor einem Aggressor nicht kapitulieren. Die Kooperation mit Paris und Berlin ist für den Labour-Politiker zudem eine Gelegenheit, Großbritannien nach den Jahren der Entfremdung durch den Brexit jedenfalls sicherheitspolitisch wieder ins Zentrum Europas zu führen. Auch Starmer ist noch nicht lange im Amt, erst seit einem Jahr, aber er ist schnell so unbeliebt geworden wie kaum einer seiner Vorgänger. Immerhin nach außen kann er jetzt beweisen, welches Gewicht Großbritannien noch immer besitzt, als Atommacht, als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats und als engster Verbündeter der USA.
Unbeliebt ist auch Emmanuel Macron, der Jüngste, aber mit Abstand Dienstälteste im Trio. Frankreichs Präsident regiert seit 2017, er kennt Trump schon aus dessen erster Amtszeit und ist Putin früher oft begegnet – anders als Merz und Starmer, die den russischen Präsidenten persönlich nie getroffen haben. Auch Frankreich ist eine Atommacht, und Macron hat früh für ein eigenständiges Europa geworben. Aber seine außenpolitischen Vorstöße wirkten in der Vergangenheit oft erratisch. Seit einer Weile hält er sich zurück. Was auch an Merz und Starmer liegen könnte: Mit ihnen, hofft Macron, könnte er trotz aller politischen Unterschiede endlich die richtigen Mitspieler gefunden haben.
Man muss sich die europäische Diplomatie in diesen Tagen wie einen Schwarm vorstellen, der ständig seine Form ändert. In Washington sind die Europäer zuletzt zu siebt aufgetreten; im Mai waren sie zu viert in Kyjiw. In dieser Woche reisen Merz, Macron und der polnische Ministerpräsident Donald Tusk zu dritt nach Moldau. Anschließend treffen sich der Bundeskanzler und der französische Präsident zu zweit in dessen Sommerresidenz am Mittelmeer.
Das Gewimmel ist Ausdruck einer Verlegenheit: Europas Außenpolitik fehlt ein Zentrum. Gleichzeitig sprechen die wechselnden Formationen für ein überraschendes Improvisationstalent. Europa, das immer langsam war, muss nun schnell reagieren. Deutschland, Frankreich und dem Nicht-mehr-EU-Land Großbritannien fällt die Rolle zu, den Schwarm zu ordnen und zu lenken.