Die rechtsextreme Szene in Nordrhein-Westfalen wird immer jünger, technisch moderner – und auch gewalttätiger. Das geht aus dem ersten „Lagebild Rechtsextremismus“ hervor, das Innenminister Herbert Reul (CDU) Mittwoch in Düsseldorf vorgestellt hat.
Reuls Kernbotschaft: „Der Rechtsextremismus bleibt die größte Bedrohung für unsere Demokratie. Wir sehen, dass er sich modernisiert hat – heute weniger Glatze und Springerstiefel, dafür mehr Kurzvideos, Gaming und Active Clubs.“ Der Rechtsextremismus sei gerade für junge Leute zu einer Art „Erlebniswelt“ geworden, warnt der Innenminister.
60 Prozent mehr Straftaten
Die schockierendste Zahl aus dem Lagebild: Die Straftaten der politisch motivierten Kriminalität im Bereich Rechts stiegen innerhalb nur eines Jahres um 60 Prozent – von 3459 Straftaten im Jahr 2023 auf 5641 im vergangenen Jahr. In 78 Prozent der Fälle waren das Propagandadelikte und Volksverhetzung, aber auch 154 Gewalttaten (Vorjahr: 116), zumeist Körperverletzungen (+ 33%)
Der Deliktbereich Hasskriminalität wuchs um 43 Prozent von 1432 auf 2049 Straftaten an.
Und die Täter werden immer jünger! Der Anteil der Tatverdächtigen zwischen 14 und 17 Jahren hat sich innerhalb eines Jahres von 100 auf 287 Jugendliche erhöht. Der rechte Lifestyle ködere vor allem junge Menschen, die auf der Suche nach Anerkennung und Zusammenhalt seien, so Reul. Der Minister: „In sogenannten Active Clubs werden junge Leute mit Spaß und Aktivitäten in eine rechtsextreme Erlebniswelt gezogen.“ Hier geht es laut Bericht erst mal um Kampfsport, Wandern oder Musikabende. Dann würden die Mitglieder motiviert, politisch aktiv zu werden.
Sylt-Video ging viral
Der Rechtsextremismus gehe heute strategischer vor, statt „Ausländer raus“ heiße es nun „Remigration“, es werde zu „Abschiebepartys“ geladen, warnt Reul. Die Radikalisierung finde immer öfter online statt, etwa durch die virale Verbreitung des mit rechtsextremer Botschaft neu getexteten Pop-Songs „L`amour Toujours“, den eine Gruppe junger Leute auf Sylt gegrölt hatte. Das Lied finde sich jetzt als Meme in extremistischen Kurzvideos, auf Insta-Stories oder TikTok.
Mit „Lara – die blonde Rebellin“ verbreite eine vermeintlich 16-jährige Schülerin rechtsextreme Inhalte, tatsächlich handele es sich um eine KI-generierte Kunstfigur. Ein rechtsradikaler Influencer aus Ostwestfalen-Lippe habe bei seinem YouTube-Kanal 550.000 Abonnenten.
Reul: „Wir dürfen uns nicht täuschen lassen. Das ist nur alte Ideologie in neuem Gewand. Rechtsextremisten halten sich durch Hass und Hetze am Leben. Dem dürfen wir keinen Raum geben.“ Die Radikalisierung finde nicht mehr „in der dunklen Kneipe“ statt, sondern da, wo junge Leute sind.