Die ukrainische
Anti-Korruptionsbehörde Nabu hat Ermittlungen wegen
eines mutmaßlichen Schmiergeldsystems im Umfang von rund 87
Millionen Euro im Energiesektor des Landes bekannt gegeben. Ziel der Durchsuchungen sei es
gewesen, in diesem Schlüsselsektor „Korruption aufzudecken“, wie Nabu mitteilte. Der Einsatz habe in
Kooperation mit der Antikorruptions-Staatsanwaltschaft (Sapo)
stattgefunden.
Im
Zentrum der Vorwürfe steht der staatliche Atomkonzern
Energoatom. Der Konzern bestätigte die Durchsuchungen seiner Büros und kündigte an, mit den Ermittlern kooperieren zu wollen. Auch die ukrainische Energieministerin Switlana Hryntschuk sicherte eine durchschaubare Aufklärung zu. Die Einzelheiten der Ermittlungen seien ihr zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt, aber sie hoffe darauf, „dass die Transparenz der Ermittlungen unsere internationalen Partner beruhigen wird“.
Die Behörde vermutet hinter dem System eine
„hochrangige kriminelle Vereinigung“, die von einem
Geschäftsmann geleitet werde. Zu ihr sollen demnach auch ein ehemaliger
Berater des Energieministers, der Sicherheitschef von Energoatom
und vier weitere Mitarbeiter gehören. „Der Berater des Ministers
und der Sicherheitsdirektor von Energoatom übernahmen die
Kontrolle über alle Einkäufe des Unternehmens und schufen
Bedingungen, unter denen alle Auftragnehmer von Energoatom
illegale Zuwendungen zahlen mussten“, sagte Nabu-Chefermittler
Olexandr Abakumow. Um eine
Sperrung von Zahlungen oder den Verlust ihres Lieferantenstatus
zu vermeiden, seien Geschäftspartner gezwungen worden, Schmiergelder in Höhe von zehn bis 15 Prozent zu zahlen.
Proteste gegen Gesetz zur Aufhebung der Unabhängigkeit von Antikorruptionseinheiten
Die Razzien folgen auf starke Kontroversen um die Rolle der Antikorruptionsermittler noch vor einigen Monaten. Im Juli hatte die ukrainische Regierung beide Ermittlungseinheiten per Gesetz der Generalstaatsanwaltschaft unterstellt und damit große Proteste ausgelöst, weil die Regelung den Einheiten faktisch ihre Autonomie aberkannt hätte. Infolge der Proteste und auch der Kritik aus der EU unterzeichnete der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj schließlich ein Gesetz, das die Unabhängigkeit der Behörden wiederherstellte.
Die Bekanntgabe über die Korruptionsvorwürfe und die Razzien erfolgen zu einer Zeit, in der sich die Ukraine
auf den Winter vorbereitet und der Energiesektor durch russische
Angriffe schwer beschädigt ist, was landesweit zu Stromausfällen
führt. In den vergangenen Monaten hatte die russische Regierung ihre Angriffe auf ukrainische Energieinfrastruktur weiter verstärkt.
