Sauer macht lustig? Nicht im erbittert geführten Wahlkampf in Polen, wo am 18. Mai ein neuer Präsident gewählt wird. Da werden sogar Essiggurken zum Politikum.
Die Vorgeschichte zum bizarren Streit: Warschaus Oberbürgermeister Rafal Trzaskowski (53), der Kandidat der Bürgerlichen Koalition (KO) von Premier Donald Tusk, würzte eine Wahlkampfrede mit reichlich Patriotismus: Er wolle „ein Botschafter der polnischen Industrie, aller polnischen Produkte und des polnischen Unternehmertums“ in der ganzen Welt sein, sagte der liberale Kandidat, der in Umfragen deutlich führt.
Dann zählte der mögliche Nachfolger von Andrzej Duda (52) auf, welche polnischen Vorzeigeprodukte schon jetzt im Ausland Erfolg haben. Und hielt ein Glas Essiggurken in die Höhe, abgefüllt von der polnischen Firma Urbanek. Die seien ein Mega-Verkaufsschlager in der Mongolei.
Saure-Gurken-Streit eskaliert schnell
Die abgewählte Ex-Regierungspartei PiS (Nationalkonservative) witterte schnell die Chance, den Rückstand ihres Kandidaten Karol Nawrocki (je nach Umfrage 10 bis 16 Prozentpunkte) zu verringern. Und tat, was sie unter Parteichef Jaroslaw Kaczynski (75) meistens tut, wenn es mit den Umfragewerten hapert: Sie spielte die antideutsche Karte.
PiS-Strategen veröffentlichten Bilder in den sozialen Medien, die zeigen sollten, dass in Wahrheit Gurken aus Deutschland in den Urbanek-Gläsern (und damit auch Supermarktregalen) stecken. Das sei mal wieder typisch für Tusk und die Seinen, die generell deutsche statt polnische Interessen verfolgten, raunten die PiS-Leute.
► Hintergrund: Mit der Mär, dass Tusk ein deutscher Agent sei und dunkle Kräfte in Berlin und Brüssel alles versuchten, um Polen zu schaden, hausiert Kaczynski seit Jahren.
Essiggurken-Ehrenwort
Die Stimmungsmache verfing. Und so musste der Mann, der auf dem Weg zum höchsten Staatsamt in Polen ist, ein Video aufnehmen, in dem er seinen Landsleuten die polnische Herkunft des Dosen-Gemüses garantiert.
Das Nachrichtenportal „Notes Of Poland“ zitiert Trzaskowski mit den Worten: „Ich hätte nie gedacht, dass ich das erklären muss: Das sind Gurken von Urbanek, einem Familienunternehmen aus Lowicz, die hier in Polen produziert werden.“
Auch der Hersteller aus der Kleinstadt bei Lodsch beeilte sich, im TV zu erklären, dass die Gurken auf polnischer Erde gewachsen sind.
Entschuldigung gefordert
Trzaskowski schlug seinen PiS-Kritikern am Ende genüsslich vor, „anstatt eine Verschwörung zu wittern, sollten sie sich einfach bei dem Unternehmen entschuldigen oder, noch besser, ihre Produkte kaufen“.
Diese Sauertopf-Attacke hat das Kaczynski-Lager wohl vergurkt.