Vor dem Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Washington, D. C. fragen nicht wenige in Europa: Warum gelingt Trump in Osteuropa nicht, was ihm im Nahen Osten gelang? Play it again, Donald?
Trump selbst nährt die Friedenshoffnung, indem er sich schon bald mit dem russischen Herrscher Putin in Budapest treffen will. In Israel und Palästina hat der US-Präsident verstanden, dass Frieden nicht eben mal in 24 Stunden herzustellen ist, wie er im Wahlkampf 2024 hartnäckig behauptete. Dem Waffenstillstand in Gaza gingen viele Gespräche, großer Druck von Trump auf Israels Premier Benjamin Netanjahu, Druck von Arabern und Türken auf die Palästinenser, wachsende Empörung über die lange Geiselhaft von Israelis und die Zerstörung von Gaza voraus. Aber nebst der Tatsache, dass Osteuropa wie Nahost furchtbare Verheerungen erleben und viele Menschen sterben, haben die beiden Kriege wenig gemein.
Und deshalb ist es für Trump auch nicht so einfach, die Sache zu wiederholen. Der Fall Gaza unterscheidet sich in drei wichtigen Punkten von Russlands Krieg gegen die Ukraine.
Punkt eins: Der Krieg Israels gegen die Hamas war bereits entschieden, als Trump seinen Druck auf Netanjahu erhöhte. Nach dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 zerstörte Israel nicht nur wesentliche Lebensgrundlagen der Palästinenser in Gaza, sondern schlug die Hamas militärisch, bis die Terroristen nur noch die israelischen Geiseln, aber keine militärische Macht mehr in der Hand hatten.
Von einer Entscheidung dieser Art kann in der Ukraine nicht die Rede sein. Nach mehr als dreieinhalb Jahren des großen Kriegs gegen die Ukraine ist Wladimir Putin nur wenig vorangekommen. Im Wesentlichen beruhen seine Eroberungen auf dem schnellen Vordringen im Frühjahr 2022, seither musste er sich aus dem Norden der Ukraine zurückziehen, ohne im Osten entscheidend voranzukommen. Gemessen an der breitbeinigen Siegeszuversicht in Moskau Anfang dieses Jahres war die Sommeroffensive 2025 ein Fehlschlag. Putin kann keinen Siegestag feiern. Er hat noch nicht mal Kontrolle über die bereits im Herbst 2022 annektierten Gebiete der Ukraine. Er hat sich beim Durchhaltevermögen der ukrainischen Bevölkerung grundsätzlich geirrt. Russland kämpft nur für den Sieg, die Ukraine kämpft ums Überleben.
Weder Russland noch die Ukraine sind isoliert
Punkt zwei: die Sponsoren. Sie sind ein wichtiger Faktor für die Beendigung eines Kriegs. Die Hamas wurde vom Iran und seinen Proxys unterstützt, diplomatische und humanitäre Hilfe leistete auch Katar. Doch gelang es Israel, in diesem zweijährigen Krieg nicht nur die Hamas zu schlagen, sondern auch die libanesische Hisbollah zu lähmen, die Huthis weitgehend auszuschalten und den Hauptsponsor Iran durch Luftangriffe entscheidend zu schwächen. Katar hat sich aus der Gazaunterstützung herausgezogen und handelte den Waffenstillstand mit aus. Die Hamas ist als Terrororganisation komplett isoliert, aber auch Israel steht nach seinem brutalen Krieg recht allein da. Da bietet sich eine Atempause an.
Doch sind weder Russland noch die Ukraine isoliert. Wie bekannt, unterstützen die europäischen Staaten die Ukraine mit Waffen und Geld für den Haushalt. Der ehemalige Hauptsponsor USA lässt sich seine Lieferungen an Kyjiw von den Europäern bezahlen. Auf der anderen Seite kann Russland seinen Krieg nur so lange und in diesem Ausmaß führen, weil es technisch, logistisch und finanziell von China unterstützt wird. Xi Jinping tut alles, damit Putin nicht verliert. Russlands Verbündeter Nordkorea steht mit Soldaten an der Front und liefert der russischen Armee Munition. Indien verarbeitet russisches Öl für die Weltmärkte und schickt Putin das Geld. Es gibt genug Brennstoff für Russlands Krieg gegen die Ukraine.
Trump ignoriert die globale Dimension
Der dritte und wichtigste Punkt ist ein prinzipieller: Der Nahe Osten wird gern ein Pulverfass genannt, das die ganze Welt in Brand setzen könnte. Das stimmt so nicht – siehe den Zwölf-Tage-Krieg Israels gegen den Iran. Von diesem lange befürchteten Showdown erwarteten viele einen globalen Explosionseffekt. Der blieb aber aus. Trump unterstützte Israel widerwillig, die EU dito. Putin ließ seinen Verbündeten Iran fallen und hielt sich unfein raus. Und China und Indien wahrten ihre klassische Distanz und blieben neutral. Die militärischen und bündnispolitischen Auswirkungen sowohl des Gazafeldzugs als auch des israelisch-iranischen Kriegs waren von regionaler Bedeutung.
Das ist in der Ukraine ganz anders. In seinen Auswirkungen geht Russlands Krieg mit globalen Dimensionen und Ansprüchen einher. Putin stilisiert seinen Ukrainefeldzug zu einer universalen Auseinandersetzung mit Europa, der atlantischen Welt, dem Liberalismus und der „westlich dominierten Weltordnung“. Sein Außenminister Lawrow sagt das Ende von „500 Jahren westlicher Weltherrschaft“ voraus. Kleiner geht’s nicht. Und ist aus Moskauer Sicht noch nicht mal übertrieben, wenn man die Verbündeten betrachtet. Denn hinter Russland steht China in seinem Ringen mit den USA um den ersten Platz in der Welt: wirtschaftlich, technologisch und militärisch. China beliefert Russland in der Ukraine, damit Europa geschwächt und der Westen samt den USA reichlich beschäftigt wird. Mit dem Ziel, die von westlichen Staaten geprägte Weltordnung abzulösen, ganz wie Putin es will.
Trump wird so lange keinen Erfolg in Osteuropa haben, wie er die globalen Dimensionen von Russlands Krieg gegen die Ukraine und die Zusammenhänge zwischen dem Donbass und den globalen Machtverschiebungen ignoriert. Weicht er dieser Herausforderung stetig aus und tänzelt am Schlachtfeldrand, werden die Regime in Moskau und Peking auf ihrem sehr langen Feldzug immer weiter vorrücken. Dann wird auch der Krieg gegen die Ukraine weitergehen, weil Putin nicht aufhört zu glauben, dass ihm die Fortsetzung mehr nützt als das Aufhören. Genau diese Challenge liegt auf dem Tisch, wenn Trump in Washington Selenskyj trifft.
