Der Historiker und Essayist Karl Schlögel erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. „In seinem Werk verbindet Karl Schlögel empirische Geschichtsschreibung mit persönlichen Erfahrungen“, begründete der Stiftungsrat seine Entscheidung.
Schlögel habe „als Seismograph gesellschaftlicher Veränderungen“ schon vor dem Fall des Eisernen Vorhangs Städte und Landschaften Mittel- und Osteuropas erkundet, heißt es in der Begründung weiter. Als einer der Ersten habe er zudem vor der aggressiven Expansionspolitik des russischen Präsidenten Wladimir Putin und seinem autoritär-nationalistischen Machtanspruch
gewarnt.
Schlögel sei einer der profiliertesten Kenner der
russischen und osteuropäischen Geschichte, teilte der Börsenverein mit. „Seine Mahnung an uns: Ohne eine freie Ukraine kann es keinen Frieden in Europa geben“, hieß es. Er habe früher als andere hervorgehoben, dass Osteuropa zum
kulturellen Bestand Gesamteuropas gehöre. Mit Werken wie (2008) oder (2017) habe Schlögel „Maßstäbe für eine anschauliche, lebendige
Geschichtsschreibung gesetzt“, teilte Börsenvereins-Vorsteherin und
Stiftungsrat-Vorsitzende Karin Schmidt-Friderichs zudem mit.
Schlögel ruft zur weiteren Unterstützung der Ukraine auf
Der 77-Jährige zeigte sich erfreut über die Auszeichnung. „Das ist eine überraschende und große Ehrung“, sagte Schlögel. Er sehe darin auch eine Würdigung seiner Arbeit zu den Beziehungen und der Analyse des östlichen Europas, teilte er mit. Zudem forderte er den Westen zur weiteren Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg auf. Es gebe den Spruch: „Wenn du den Frieden willst, stelle dich ein auf den Krieg.“ Die Verteidigung sei das beste Mittel, sich gegen die Aggression und Ausweitung eines Krieges zur Wehr zu setzen, sagte er. „Deswegen ist die Unterstützung der Ukraine auch der beste Weg, um den Frieden in Europa zu sichern“, teilte er mit.
Schlögel wurde im März 1948 in Hawangen in Bayern geboren. Er schloss ein Studium der osteuropäischen Geschichte, Philosophie, Soziologie und Slawistik an der Freien Universität Berlin ab und promovierte dort 1981 über Arbeiterkonflikte in der Sowjetunion. Im Jahr 1966 reiste er erstmals in die Sowjetunion, zwei Jahre später erlebte er den Prager Frühling mit. Aufenthalte in Moskau und Leningrad in den 1980er-Jahren prägten seine Forschung. 2014 reiste er nach der russischen Besetzung der Krim in die Ukraine. Bis 2013 war Schlögel als Professor für Osteuropäische Geschichte an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) tätig.
Den Friedenspreis vergibt der Börsenverein jährlich an eine „Persönlichkeit, die in hervorragendem Maße vornehmlich durch ihre Tätigkeit auf den Gebieten der Literatur, Wissenschaft und Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen hat“. Er ist mit 25.000 Euro dotiert und wird zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse am 19. Oktober in der Paulskirche verliehen.
Zuletzt wurde 2024 die amerikanisch-polnische Journalistin und Historikerin Anne Applebaum mit dem Friedenspreis ausgezeichnet. Seit Beginn der Vergabe des Preises 1950 gehörten unter anderem der Arzt und Philosoph Albert Schweitzer, der Violinist Yehudi Menuhin und Autorinnen und Autoren wie Hermann Hesse, Astrid Lindgren, Vaclav Havel und Salman Rushdie zu den Preisträgern.