Es könnte der beste Rentenplan seit Langem sein – wenn er denn von der neuen Bundesregierung umgesetzt wird. Mit der sogenannten Aktivrente sollen sich Rentner künftig bis zu 2000 Euro im Monat steuerfrei dazuverdienen können. Lediglich Beiträge für die Kranken- und Pflegekasse werden abgezogen (nicht mehr zur Arbeitslosen- oder Rentenversicherung).
Voraussetzung: Die künftigen „Aktivrentner“ müssen das reguläre Rentenalter (Frauen 65, Männer 67 Jahre) erreicht haben.
In Deutschland beziehen rund 22 Millionen Menschen eine Altersrente. Etwa 13 Prozent der Rentnerinnen und Rentner im Alter zwischen 65 und 74 Jahren arbeiten laut Statistischem Bundesamt trotzdem weiter. Sie könnten wegen der Aktivrente bald deutlich mehr Geld am Monatsende zur Verfügung haben.
Aktivrente könnte auch Unternehmen helfen
Die Aktivrente geht auf eine Idee von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann (47) zurück. Er hatte das Konzept bereits im September 2023 vorgestellt.
Wird das Vorhaben tatsächlich umgesetzt, könnte es sowohl Unternehmen helfen, die wertvolle Mitarbeiter leichter länger beschäftigen können, als auch arbeitenden Rentnern, die mehr in der Tasche haben.
Was halten Rentnerinnen und Rentner von dem Plan?
„Ich bin 76 und Truckerin. Weil ich es will … und muss“
Roswitha Gamberger (76) aus Kassel (Hessen) steuert seit 45 Jahren einen 40-Tonnen-Truck quer durch Europa und denkt noch lange nicht ans Aufhören. „Weil ich nirgendwo so gut schlafe wie in meinem Lkw, der Job mir großen Spaß macht“, sagt sie. „Und weil ich die Kohle brauche.“ Sie bekommt 700 Euro Rente, verdient sich mit ihrem 5-Tage-Job hinter dem Lenkrad 2200 Euro brutto dazu. „Da bleiben rund 1700 Euro übrig. Die bewahren meinen schwer kranken Mann und mich vor der Altersarmut.“ Kommt die Aktivrente, habe auch sie weniger Sorgen: „Mein Hund Herr Müller musste gerade operiert werden, das hat 7000 Euro gekostet. Ohne die hohen Steuern hätte ich das Geld schneller zusammen – aber ohne den Truckerjob die OP gar nicht bezahlen können.“ Ihren Lkw-Führerschein muss sie alle 5 Jahre verlängern. Den dafür notwendigen Sehtest hat sie gerade bestanden.
„Die Aktivrente wäre eine Motivation für mich“
Corinna Walter (73) hat vor 30 Jahren ihre Kinder-Boutique „Taca Tuca“ in Hamburg-Eppendorf eröffnet. Als sie das Renteneintrittsalter erreicht hatte, war klar: „Ich mache weiter. Weil mir der Job Spaß macht, mich die Arbeit gesund und jung hält – und ich meine kleine Rente aufbessern möchte.“ Inzwischen ist ihre Tochter eingestiegen, Corinna Walter arbeitet nicht mehr Vollzeit. „Weil man wegen der hohen Steuerlast kaum mehr Geld auf dem Konto hat.“ Es könne ja nicht sein, dass die Älteren länger arbeiten sollen, aber keinerlei Anreiz dafür geschaffen würde: „Die Einführung der Aktivrente wäre eine Motivation für mich. Ich würde länger und mehr arbeiten, in den Laden investieren und könnte mir z. B. eine schöne Reise gönnen. Endlich würde Arbeit im Alter belohnt.“
„Meine Rente geht allein für die Miete drauf“
Margit Bozic (67) ist Kellnerin im Gasthaus „Zum Lahmen Esel“ in Frankfurt/Main, serviert das Traditionsgericht „Frankfurter grüne Soße“. Sie sagt: „Ich bekomme nur 1070 Euro Rente, allein die Warmmiete kostet mich in Frankfurt schon fast 1000 Euro jeden Monat. Deshalb muss ich weiter Teilzeit arbeiten und verdiene jetzt 1988 Euro brutto. Wenn die Aktivrente kommt und ich keine Steuern mehr zahlen muss, deckt das schon mal meine monatlichen Nebenkosten. Das wäre eine riesige Erleichterung. Dann könnte ich mir auch weiterhin mein Auto leisten. Ich bin fast immer in den Mittagsstunden hier im Gasthaus und will auf jeden Fall weitermachen, solange es geht. Ich liebe meine Arbeit, bin seit 33 Jahren Kellnerin. Die meisten Gäste hier im Lahmen Esel kennen mich. Wir sind wie eine große Familie, die Gaststätte ist wie mein zweites Zuhause.“
„Mein Chef sagt, er braucht meine Erfahrung“
Sergeius Bille (67) ist Pflasterer in der Gärtnerei Hartmann im hessischen Fulda. „Was soll ich zu Hause? Da hat man keine Aufgabe, da werde ich nur alt. Ich habe einen Minijob, weil ich nur 520 Euro Rente bekomme. Ich möchte aber am liebsten wieder etwa 60 Stunden im Monat in der Gärtnerei arbeiten. Da muss ich keine schwere Arbeit mehr leisten, sondern kann die Jungen anleiten und ihnen zeigen, wie es geht. Egal, ob nur eine Terrasse zu pflastern ist oder ein größerer Auftrag reinkommt. Mein Chef sagt, er braucht nicht meine Muskelkraft, sondern meine Erfahrung.“
„Mit der Aktivrente könnten wir uns wieder Urlaub leisten“
Viktor Maar (65) arbeitet als Hausmeister in Fulda (Hessen). Er sagt: „Ich bin seit knapp einem Jahr in Rente. Ich habe einen Minijob, aber ich möchte am liebsten wieder drei bis vier Stunden pro Tag arbeiten. Mein Chef weiß schon Bescheid. Wir zahlen fast 1000 Euro Miete. Meine Frau bekommt 400 Euro Rente und ich 1200 Euro. Wir brauchen das Geld. Wenn die Aktivrente kommt, können wir uns davon endlich mal wieder einen Urlaub leisten.“
„Ich könnte mehr in meine Gartenlauben investieren“
Thomas Böttcher (68) aus dem sächsischen Rötha bei Leipzig ist bereits in der Rente. „Früher habe ich auf Montage gearbeitet, war sogar in Holland unterwegs. Jetzt bin ich seit einem Jahr Rentner. Meine Gärten halten mich aber fit, da habe ich immer etwas zu tun. Wenn man aber wirklich 2000 Euro steuerfrei dazuverdienen könnte, würde ich das sehr gerne machen. Vielleicht bei einem Hausmeisterdienst oder etwas ähnlich Gelagertem – ich bin mir für keine Arbeit zu schade. Zuletzt habe ich bei einem Orchester ausgeholfen, dort u. a. die schweren Instrumente geschleppt und alles für die Auftritte der Musiker vorbereitet. Meine Rente ist nicht gerade üppig. Wenn ich mehr dazuverdienen könnte, würde ich mir wenigstens mal einen Urlaub leisten. Oder etwas mehr in meine Gartenlauben investieren. Die eine könnte gut ein neues Dach vertragen.“
„Ich durchsuche schon die Job-Börsen im Internet“
Thomas Sprung (70) aus Erfurt (Thüringen) hat 25 Jahre als Jurist bei einer Versicherung gearbeitet. „2016 bin ich dann in Rente gegangen, bekomme 3300 Euro. Das ist viel, aber ich arbeitete trotzdem weiter. Sechs Jahre lang in drei Minijobs, u. a. als Nachtportier in einem Hotel. Doch mit der Corona-Pandemie war Schluss. Jetzt lockt mich die Aktivrente. Ich durchsuche bereits die Jobbörsen. Mir geht es nicht so sehr ums Geld. Aber ich sehe, wie viele Rentner vereinsamen, weil sie keine Aufgabe mehr haben. Ich möchte beweglich bleiben und unter Leuten sein – das erweitert den Horizont.“
Studie rechnet mit 5,5 Prozent mehr Einkommen
Wie viel bringt die neue Aktivrente konkret? Beispiel für einen Rentner (69 Jahre, Steuerklasse I) mit 1500 Euro Altersrente und 1400 Euro Zusatzverdienst. Dieser Rentner spart rund 300 Euro Steuern im Monat, hat damit im Jahr rund 3600 Euro mehr im Geldbeutel.
Eine Studie des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim rechnet damit, dass die „verfügbaren Einkommen durch eine Aktivrente im Mittel um 5,5 Prozent“ steigen könnten, wodurch „5000 bis 15.000 Ruheständler zusätzlich arbeiten“ könnten.