Was soll das sein, dieser „Job-Turbo“? Das fragte sich Albina, als sie Anfang März einen Brief des Bundesarbeitsministeriums in den Händen hielt. Einer der nächsten Sätze war da schon eindeutiger. „Da stand: ›Sie müssen sich eine Arbeit suchen‹“, erzählt Albina bei einem Treffen. Die 48-Jährige, die hier nur beim Vornamen genannt werden will, kommt aus der Ukraine. Im April 2022 war sie mit ihren beiden Töchtern, 17 und 11 Jahre alt, aus Charkiw geflohen. Zwei Koffer hatten sie dabei gehabt, mehr nicht. Als Albina den Brief vom Ministerium erhielt, lebte sie bereits seit fast einem Jahr im baden-württembergischen Wernau. Ihre Kinder besuchten die örtliche Schule, sie selbst war arbeitslos.
So wie Albina ergeht es vielen Geflüchteten aus der Ukraine. Im vergangenen Herbst hatten gerade einmal 20 Prozent von ihnen in Deutschland eine Arbeitsstelle gefunden. In den Niederlanden, Schweden oder Polen lag die Beschäftigungsquote ukrainischer Flüchtlinge da bereits bei über 50, in Dänemark sogar bei über 70 Prozent. Dabei sind die Voraussetzungen für Ukrainer hierzulande gar nicht so schlecht. Im Gegensatz zu Geflüchteten aus anderen Ländern gelten sie ohne Prüfung als schutzbedürftig. Sie dürfen theoretisch sofort einen Job antreten. Praktisch passierte das aber viel zu selten.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wollte das ändern. Vor einem Jahr kündigte er das „Job-Turbo“-Programm an. Seither werden Ukrainer und Ukrainerinnen enger vom Jobcenter betreut. Alle sechs Wochen haben sie dort einen Termin. Normalerweise entscheiden die Berater individuell, wie häufig solche Gespräche notwendig sind. Teil des „Job-Turbos“ sind außerdem berufsbegleitende Sprachkurse und spezielle Jobmessen für Geflüchtete.
Nach einem Jahr stellt sich nun die Frage: Was hat der Turbo gebracht?
Vor einigen Tagen veröffentliche das Arbeitsministerium selbst einen Bericht dazu. Von Oktober 2023 bis August 2024 sind demnach 55.000 ukrainische Staatsangehörige aus dem Bürgergeld in die Beschäftigung gewechselt, 66 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Im August hatten 266.000 Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland einen Job. Die Beschäftigungsquote liegt laut Bundesagentur für Arbeit inzwischen bei 29,4 Prozent. Das ist eine deutliche Verbesserung – aber noch weit entfernt von den Quoten anderer Länder.
Daniel Terzenbach ist im Vorstand der Bundesagentur für Arbeit dafür verantwortlich, dass der „Job-Turbo“ umgesetzt wird. Heil hatte ihn im vergangenen Jahr zum Sonderbeauftragten für die Arbeitsmigration von Geflüchteten gemacht. Terzenbach sagt: „Wir vermitteln trotz der angespannten Arbeitsmarktsituation derzeit pro Monat doppelt so viele Ukrainerinnen und Ukrainer aus Arbeitslosigkeit in Beschäftigung wie im Vorjahr.“ Das sei ein Erfolg. In Deutschland sei es „aktuell fast historisch schwierig, Arbeit zu finden“. Die Unternehmen würden so wenige Stellen ausschreiben wie zuletzt 2010. Im Bericht des Arbeitsministeriums werden auch die langwierige Anerkennung von Berufsabschlüssen und fehlende Betreuungsmöglichkeiten für Kinder als Hemmnis genannt. Zur größten Hürde bei der Integration in den Arbeitsmarkt gehören aber weiterhin fehlende Sprachkenntnisse.
So war es auch bei Albina. In der Ukraine hat sie Wirtschaftswissenschaften studiert, war jahrelang Finanzdirektorin einer Süßwarenfabrik. „Mir ist klar, dass ich nicht die gleiche Arbeit machen kann wie in der Ukraine“, sagt sie. Aber etwas Ähnliches sollte es doch sein: Assistentin oder Buchhalterin. Doch dafür reichen Albinas Deutschkenntnisse nicht aus. Das Gespräch mit der ZEIT führt sie auf Russisch.
72 Prozent der Ukrainer und Ukrainerinnen, die nach Deutschland geflohen sind, haben einen Hochschulabschluss. Hierzulande finden die meisten wenn überhaupt nur Hilfsjobs, etwa in der Gastronomie, als Reinigungskräfte oder in der Logistik.