Das ging ja fix: Ex-Innenminister Thomas de Maizière (70, CDU) hat bei Caren Miosga (55) als einer der ersten Unionspolitiker eine neue Position seiner Partei gegenüber Sahra Wagenknecht (55, BSW) angeregt.
Denn: Die „Brandmauer“ der Union gegen Links- und Rechtsaußen, an der de Maizière 2018 selbst mitgebaut hatte, könnte jetzt ein Hindernis für eine womöglich unvermeidliche CDU-BSW-Koalition werden.
Einfach über Bord werfen?
Als sich zum Ende des Wahlabends immer deutlicher abzeichnete, dass die CDU in Sachsen und Thüringen wohl kaum ohne die Wagenknecht-Partei regieren könnte, fragte die Talkmasterin den CDU-Politiker ganz direkt: „Müssen Sie diesen Beschluss nicht einfach über Bord werfen?“
„Der Beschluss gilt ja erst mal für die Linken“, antwortete der Ex-Minister vorsichtig. „Beim BSW haben wir keine Beschlusslage. Das müssen die vor Ort entscheiden.“
Dann aber präzisierte de Maizière: „Der Beschluss gilt für die AfD und die Linke. Beim BSW brauchen wir vielleicht eine neue Beschlusslage. Das kann sein!“
Keine Lust auf Opposition
„Für meine Begriffe will Sahra Wagenknecht gar nicht so unbedingt regieren“, urteilte „Zeit“-Journalistin Anne Hähnig (36). Anders sei das bei Thüringen BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf (48): „Sie ist in das BSW gegangen, weil sie regieren will. Sie lässt überhaupt keinen Zweifel daran zu, dass sie das gerne möchte.“
Hähnigs Einschätzung: „Das ist eine pragmatische Frau, die war lange Oberbürgermeisterin in Eisenach. Meiner Einschätzung nach hat sie keine Lust, auf der Oppositionsbank zu sitzen, und sie wird ja jetzt auch gebraucht.“
Ironie der Geschichte
„Das ist eine besondere Ironie der Geschichte, dass die CDU immer an dem Beschluss festgehalten hat: nicht mit der Linken. Auch als die Linke sich veränderte“, kommentierte WELT-Vize Robin Alexander (49) die neue Lage.
„Und jetzt“, so Alexander über Wagenknechts Werdegang, „kommt die Vorsitzende der Kommunistischen Plattform, und mit der will man koalieren! ‚Einsicht in die Notwendigkeit’ sagte man dazu früher in der DDR. Aber es hilft ja nichts …“
Kultusministerin in Sachsen?
„Frau Wagenknecht würde nicht die Mühen der Ebene in einer Regierung auf sich nehmen“, vermutete de Maizière, etwa wenn sie das Angebot hätte, „Gesundheitsministerin oder Kultusministerin in Sachsen oder Thüringen zu werden“.
Anderes gelte für die BSW-Chefin in Sachsen, Sabine Zimmermann (63): „Die ist jetzt sicher nicht so tüchtig und vernünftig wie die Katja Wolf aus Thüringen“, urteilte de Maizière, „aber man muss das mal sehen. Das wird sicher auch ein Experiment.“
Die Kirsche obendrauf
„Aber jetzt müssen erst mal die vor Ort entscheiden, was sie wollen“, schloss der CDU-Politiker. „Jedenfalls, mit einer Kommunistin wie Frau Wagenknecht gemeinsam in einer Landesregierung zu regieren, das würde mir sehr schwerfallen!“
Doch die Talkmasterin setzte noch einen drauf: „Es kommt ja noch viel schlimmer“, berichtete sie nach einer neuen Hochrechnung. „Mit Pech“ müsse Thüringens CDU-Spitzenmann Mario Voigt (47) nicht nur mit dem BSW, sondern auch noch mit den Linken koalieren. Miosga grienend: „Da kommt jetzt noch die Kirsche obendrauf!“
Respekt, nicht Getöse!
„Koalitionen sind kein Spiel!“, warnte de Maizière daraufhin. „In der CDU legt jetzt die ganze Last der Verantwortung für diese Länder und vielleicht darüber hinaus, mit 24 Prozent in Thüringen und 30 Prozent in Sachsen. Das ist schwierig. Das wird länger dauern!“
Seine ernste Mahnung: „Es werden da ganz neue Formen der Regierungsbildung entstehen. Das verdient Respekt und kluge Begleitung und nicht Getöse!“