Litvinov – Die letzte Explosion ist verhallt, aber die Angst vor der nächsten bleibt …

Freitag, 12.13 Uhr, im tschechischen Litvinov: Keine acht Kilometer von der deutschen Grenze entfernt zerreißt eine gewaltige Detonation die Stille. Mitten im Benzinwerk schießt eine Staubfontäne in den Himmel, Dreck rieselt auf die Chemieanlagen hinab. „Alles gut gegangen, keine Verletzten. Der Puma ist erlegt“, gibt ein Feuerwehrmann, der an den drei Meter tiefen Krater geeilt ist, an seine Kollegen per Funk durch. Der Puma, das ist eine 250-Kilo-Bombe, die das größte Chemiewerk von Tschechien für über eine Woche lahmlegte und damit Millionenschaden verursachte.

Bange Stunden seit dem 21. August

Gefunden worden war die britische Bombe bei Erdarbeiten am 21. August. Schnell wurde klar, dass eine einfache Entschärfung hier nicht möglich ist: Ein Zeitzünder war verbaut, erst nach einer Wartezeit von 144 Stunden konnten die Arbeiten für einen Sicherheits-Sarkophag zur Sprengung beginnen. Sandsäcke wurden herbeigeschafft, dutzende 1,8 Tonnen schwere Betonblöcke um die tückische Bombe geschichtet. Mit Erfolg: Die Bombe richtet bei ihrer Detonation kaum Schaden an. „Nur eine Glastür in 50 Metern Entfernung ist kaputt“, sagt Karel Čadil, der Chef des Entschärfungskommandos.

400 Blindgänger unter der Benzinfabrik

Aber auch wenn es diesmal gut gegangen ist, der Puma – so nennen sie die Bombe hier – hat viele Brüder. Sie schlummern noch immer unter der Erde des Benzinwerks. „Es sind etwa 400. Bei jeder Erdarbeit herrscht hier große Gefahr“, erklärt Martin Bareš (44), der die Gegend kennt wie kein Zweiter. Der Offroad-Guide und Hobby-Historiker hat lange zur Geschichte des Werkes geforscht: In den letzten Kriegsjahren fielen Tausende Bomben auf die Sudetendeutschen Treibstoffwerke.

Hier im Erzgebirge wurde u.a. das Flugzeugbenzin für Hitlers Luftwaffe hergestellt. „Die Blindgänger stecken metertief in der weichen Erde. Mit Metalldetektoren sind sie nicht zu finden“, sagt Bareš.

Im Ort selbst wissen die wenigsten vor dieser Gefahr. Die deutschen, die bis 1945 hier lebten, mussten aussiedeln. Die Arbeiter, die sie im Benzinwerk ersetzten, ahnten nichts von dem tödlichen Erbe unter der Erde.