Man hat sich inzwischen fast daran gewöhnt: Fast täglich kündigen Top-Unternehmen Stellen-Abbau in Deutschland an – teils in erschreckendem Umfang. Allein in dieser Woche kündigten zahlreiche Unternehmen an: Wir schaffen Tausende Arbeitsplätze ab!

Jüngstes Beispiel: Siemens. Der Mischkonzern gab am Dienstag bekannt, allein in Deutschland 2850 Jobs abzubauen.

Auto-Industrie am Anschlag

▶︎ Ford will am Standort Köln in den nächsten 3 Jahren 2900 Stellen abbauen (von 11.500 Stellen). Audi streicht bis Ende 2029 insgesamt 7500 Arbeitsplätze. Mutterkonzern VW baut bis 2030 35.000 Stellen ab. Auch VW-Softwaretochter Cariad will von den derzeit noch 5900 Stellen 1600 abbauen.

Der Verband der Automobil-Industrie (VDA) rechnet sogar damit, dass der Umbau zur Elektromobilität bis 2035 etwa 190.000 Arbeitsplätze am Industriestandort Deutschland kosten könnte.

Zulieferer-Riesen bauen ab

▶︎ Zulieferer-Riese ZF-Friedrichshafen will bis zu 14.000 Stellen in Deutschland abbauen. Auch Zulieferer Schäffler streicht 2800 Jobs. Grund: steigender Wettbewerb und E-Auto-Flaute!

Stahl-Industrie

▶︎ Thyssenkrupp will bei seiner Stahl-Tochter bis 2030 11.000 von insgesamt 27.000 Stellen abbauen oder auslagern. Ein Standort soll komplett geschlossen, ein weiteres Werk verkauft werden. Auch bei Bosch fallen Jobs weg: in Deutschland gut 7000 Stellen bis 2032.

Chemie-Industrie

▶︎ Bei Chemie-Riese BASF ist der Stellen-Abbau in vollem Gange, im Werk Ludwigshafen soll jede siebte Anlage geschlossen werden. Auch Evonik will 2000 von weltweit 33.000 Stellen streichen.

Banken

▶︎ Die Deutsche Bank schließt 2025 eine „signifikante“ Zahl von Filialen und will bis Ende 2025 rund 2000 Stellen streichen.

Die Gründe für das Abbau-Drama

Deutschland ist inmitten des größten Job-Abbaus seit Jahrzehnten! Experten sehen vor allem drei Gründe: hohe Arbeitskosten, teure Energie, zu viel Bürokratie.

▶︎Arbeitskosten: Sind in Deutschland extrem hoch. Prof. Friedrich Heinemann (ZEW Mannheim): „Internationale Konzerne, die auch in Deutschland Standorte haben, neigen dazu, vor allem in Deutschland zu entlassen. Denn die Arbeitskosten sind in Deutschland viel höher als in anderen Standorten – und das bei gleicher Leistung.“

▶︎ Energiekosten: Prof. Heinemann: „Energieintensive Branchen haben mit den hohen Energiepreisen zu kämpfen, und es gibt wenig Erwartung, dass die runtergehen.“ Subventionen würden nur „bedingt helfen“.

▶︎ Bürokratie: Deutschland sei ein „nach allen Indikatoren hoch reguliertes Land für alle Teilnehmer am Arbeitsmarkt“, so Prof. Heinemann.

Folge des Ganzen: Es gibt teils dramatische Überkapazitäten. Prof. Heinemann: „Die Unternehmen, die Automobilbranche mit den Zulieferern, aber auch sehr energieintensive Produktion in den Bereichen Stahl oder Chemie sind jetzt seit zwei, drei Jahren stark unter-ausgelastet.“

▶︎ Sind die Probleme also hausgemacht? Dafür spricht einiges. Prof. Heinemanns bitteres Fazit: „Die Weltwirtschaft hat sich erholt, auch die Exportmärkte haben sich erholt. Aber es kommt nicht mehr bei den deutschen Unternehmen an. Das Problem ist also strukturell.“

▶︎ Auch Arbeitsmarkt-Experte Prof. Enzo Weber (45, IAB Nürnberg) warnt: „Investitionen, Stellenmeldungen und Gründungen sind dramatisch schwach.“ Weber fordert die künftige Bundesregierung daher dazu auf, die Wirtschaftspolitik auf „Innovationen, neue Geschäftsmodelle, Wettbewerb und Infrastruktur der Zukunft“ auszurichten. „Aus eigener Kraft ist derzeit keine schelle Erholung der Wirtschaft absehbar.“

Es gibt aber auch positive Entwicklungen. Arbeitsmarkt-Experte Holger Schäfer (56, IW-Köln) beobachtet „Beschäftigungsgewinne in staatsnahen Sektoren – also öffentliche Verwaltung, Gesundheitswesen, Sozialwesen, Erziehungswesen.“ Bei verbesserter Konjunktur werde sich „auch die Lage auf dem Arbeitsmarkt wieder verbessern“, so der Experte.